- Kyniker, Kyrenaiker, Epikureer: Philosophische Schulen in Athen
- Kyniker, Kyrenaiker, Epikureer: Philosophische Schulen in AthenDer bekannteste Anhänger des Sokrates, Platon, gründete in Athen um 385 v. Chr. seine eigene Schule, die Akademie (die allerdings nicht, wie lange angenommen wurde, bis 529 n. Chr., sondern nur bis ins erste Jahrhundert v. Chr. bestand). Schon bald nach Platons Tod gab es Streitigkeiten über die philosophische Ausrichtung. So bemerkte einmal Aristoteles, nachdem er die Platonische Akademie verlassen hatte, dass für Speusippos, Platons Nachfolger, die Philosophie immer mehr zur Mathematik geworden sei. Um 335 v. Chr. gründete auch Aristoteles eine philosophische Schule in Athen: das Lykeion. Die Peripatetiker, wie die Mitglieder der Aristotelischen Schule genannt wurden, verlegten sich schon bald auf einzelwissenschaftliche und philosophiehistorische Untersuchungen, sodass das philosophische Profil der Schule nach dem Tod des Aristoteles-Schülers Theophrast im Jahr 287 v. Chr. schnell verblasste.Außer diesen lassen sich aber auch weitere Schulen, darunter die wichtigsten Schulen des Hellenismus, zumindest indirekt auf Sokrates zurückführen. So werden in Platons Dialog »Phaidon« Euklid von Megara, Antisthenes und Aristippos von Kyrene als Schüler des Sokrates genannt. Euklid, der nicht mit dem Mathematiker zu verwechseln ist, gründete die Schule der Megariker. Das Eine sei das Gute, es werde nur mit verschiedenen Namen, wie Gott, Einsicht und Geist benannt. Antisthenes dagegen knüpfte an den Sokratischen Gedanken an, dass die Tugend für das gute Leben und das Glück allein hinreichend sei; er lehrte, dass neben der Tugend alle anderen vermeintlichen Güter wertlos seien und daher ein Leben der Bedürfnislosigkeit angestrebt werden müsse. Aus diesem Ansatz formten die Kyniker jedoch keine ausgearbeitete Theorie, sondern sie versuchten, die Bedürfnislosigkeit an sich selbst zu verwirklichen und durch ihr Auftreten die Anhänger einer konventionellen Moral zu schockieren. Für ein Leben in vollkommener Bedürfnislosigkeit wurde vor allem Diogenes von Sinope, der angeblich in einer Tonne hauste, berühmt.Aristippos von Kyrene und Eudoxos von Knidos wurden zum Vorbild für den Hedonismus des Epikur. Eudoxos lehrte, dass dasjenige am meisten erstrebenswert sei, was wir um seiner selbst willen wählen, und dass diese Bedingung von der Lust (»hedone«) erfüllt wird. Aristippos und die ihm nachfolgende Schule der Kyrenaiker gingen davon aus, dass dem einzelnen Menschen allein die eigenen Empfindungen wirklich zugänglich sind. Dadurch würden Lust und Unlust - und nicht etwa das Glück - zum höchsten Gut und höchsten Übel, woraus Aristippos die ethische Konsequenz zog, dass die eigene, momentane Lustempfindung im Mittelpunkt der Lebensführung stehen sollte, weil sie allein um ihrer selbst willen wählenswert sei.Neben der Philosophie der Stoiker bildet das Denken Epikurs die herausragende Strömung jener Zeit. Epikur wurde auf Samos geboren. Nach Aufenthalten in Kolophon und Mytilene auf Lesbos erwarb er um 306 v. Chr. in Athen ein Haus mit »Garten«, wo er mit seinen Freunden und Schülern zusammenlebte und der seiner Schule ihren Namen gab. Von dem angeblich umfangreichen Werk des Epikur sind neben Fragmenten drei ausführlichere Lehrbriefe erhalten sowie eine Liste von zentralen Lehrsätzen. Wichtige Rückschlüsse auf Epikurs Lehre erlaubt außerdem ein Lehrgedicht des Epikureers Lukrez, der im 1. Jahrhundert v. Chr. in Rom gelebt hat.Epikurs Lehre ist in die drei Bereiche Kanonik, Physik und Ethik unterteilt. Die Kanonik enthält eine Erkenntnistheorie, die im Wesentlichen sensualistisch-materialistische Züge trägt; in der Erklärung der Welt sollen übernatürliche Gründe ausgeschlossen werden. Ähnlich wie bei Demokrit besteht Epikur zufolge die Welt aus physisch unteilbaren Atomen und dem leeren Raum. Auch die Seele wird atomistisch, als ein feinteiliges, im Körper verstreutes Gebilde, interpretiert, das auf das Zusammenwirken mit dem Körper angewiesen ist und daher zusammen mit diesem vergeht. Erkenntnislehre und Physik stehen bei Epikur jedoch ganz im Dienst der Ethik. Der Grundsatz der Epikureischen Ethik lautet: »Alles Gut und Übel ist in der Empfindung« (»An Menoikos« 124). Für die Bestimmung, worin das gute Leben oder das Glück besteht, dient daher die Empfindung eines Gutes als Richtschnur. Das erste und angeborene Gut, das wir kennen, ist aber die Lust. Sie ist daher Ursprung und Ziel des glücklichen Lebens; von ihr ausgehend treffen wir alle Entscheidungen. Diese Gleichsetzung von Lustempfindung und höchstem Gut hat Epikur schon in der Antike, sogar schon unter seinen eigenen Nachfolgern, reichlich Kritik eingebracht. Epikur argumentiert jedoch durchaus differenziert: »Wenn wir also sagen, die Lust sei das Ziel, meinen wir damit nicht die Lüste der Hemmungslosen. .., sondern: weder Schmerz im Körper noch Beunruhigung in der Seele zu empfinden. Denn nicht Trinkgelage und andauernde Umzüge, auch nicht das Genießen von Knaben und Frauen, von Fischen und allem sonst, was die Tafel so bietet, erzeugen das lustvolle Leben, sondern ein klarer Verstand. ..« (»An Menoikos« 131/32). Die unbeirrte Betrachtung verstehe nämlich, alles Wählen und Meiden auf die Gesundheit des Körpers und die Ruhe der Seele (»ataraxia«) zurückzuführen, weil dies die Vollendung des glückseligen Lebens sei. Zu befriedigen sind jedoch nur notwendige und natürliche Begierden, weil diese Schmerz bedingen, wenn sie nicht erfüllt werden. Gegenüber anderen Begierden kommt es auf die richtige innere Einstellung an, dass ein zu erwartender Lustgewinn und spätere schmerzhafte Folgen des Genusses abgewogen werden und ein unerfüllbares, ins Unendliche gehendes Begehren als ein Übel zu vermeiden ist. Die Haltung, die aus einer solchen Überlegung resultiert, ist die Selbstgenügsamkeit, die jedoch nicht asketisch verstanden wird, sondern die innere Unabhängigkeit von Objekten des Begehrens sicherstellen soll.Dr. Christof Rapp
Universal-Lexikon. 2012.